Botox! Vom Gift zur Wunderwaffe?
Neurologen und Urologen, Hautärzte und Fachleute für Sprach-, Stimm- und Schluckstörungen injizieren es bereits heute in zuckende Lider, krampfende Stimmritzen, stark schwitzende Achseln, Hände und Füße oder bei Blasenproblemen. Das Gift wirkt auch dann noch, wenn Physiotherapie und Operation nicht helfen konnten oder Medikamente zu viele Nebenwirkungen auslösen. An die 20 Indikationen sind bislang in verschiedenen Ländern zugelassen – die Liste wächst stetig weiter. So könnte Botulinumtoxin eines Tages wie Aspirin zur Wunderwaffe gegen alles und jedes aufsteigen. Das Spektrum reicht vom Auge (Zucken) über den Rücken (Schmerz) und Arm (Schreibkrampf) bis zum Fuß (Restless-legs-Syndrom).
Zwei Kilo Botox würden die Menschheit auslöschen
Doch nach wie vor ist im Umgang mit Botox große Vorsicht geboten. Schließlich handelt es sich um das stärkste bekannte Gift. Zwei Kilogramm davon könnten die gesamte Menschheit dahinraffen. Die Experten streiten seit Jahren darüber, wie gefährlich Botulinumtoxin-Injektionen wirklich sind. Während die Ärzte, die das Gift anwenden, von der sensationellen Wirkung schwärmen und kaum Gefahren sehen, warnen Behörden und Institutionen vor dem übermäßigen Gebrauch. So lagen der europäischen Arzneimittelbehörde EMEA bis August 2007 mehr als 600 Verdachtsberichte zu Nebenwirkungen nach Botox-Injektionen vor, darunter 28 Todesfälle.
Botulinumtoxin ist beileibe keine moderne Wunderwaffe. Schon vor fast 200 Jahren beschrieb der Arzt und Dichter Justinus Kerner sehr detailliert die lähmende Wirkung des Gifts – in infizierten Wunden oder vergammelter Wurst. Überdosierungen, die zum sogenannten Botulismus führen, lähmen die Augen, führen zu Doppelbildern und verschwommenem Sehen. Der Mund ist trocken, Sprechen und Schlucken fällt schwer, wenn sich das Nervengift in der Halsregion ausbreitet. Schwächt es auch Herz- und Atemmuskeln, sterben die Betroffenen am Kreislaufstillstand oder einer Atemlähmung.
Faltenkillen als Nebenwirkung
Vor etwa 20 Jahren korrigierte der kalifornische Augenarzt Alan B. Scott erstmals schielende Augen durch eine Botox-Injektion in die Augenmuskeln. Nach diesem Erfolg begann der Vormarsch des Toxins: Die Injektion minimaler Dosen in ausgewählte Muskeln erwies sich auch bei zitternden Lidern, Schiefhals und vielen anderen Indikationen als wirksam. Scotts kanadische Kollegin Jean Carruthers behandelte – ebenfalls mit geringen Botox-Dosen – zittrige Lider. Dabei stellte sie fest, dass dort, wo sie das Muskelzittern beseitig hatte, auch gleich die Falten verschwanden. Gemeinsam mit ihrem Mann, dem Schönheitschirurgen Alastaire Carruthers, veröffentlichte sie daraufhin 1995 die erste wissenschaftliche Arbeit zur kosmetischen Anwendung.
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